Alles Banane!
-
Annemarie Bucher & Cornelia Meyer
- Annemarie Bucher & Cornelia Meyer
Der Bananenkonsum ist in der Schweiz in den letzten Jahren stetig angestiegen. 2020 wurden laut Daten der Eidgenössischen Zollverwaltung Bananen im Wert von rund 103,5 Millionen Franken in die Schweiz importiert. Das entspricht etwa 102 Millionen Kilogramm. Welche Bananen essen wir in der Schweiz? Wie werden sie transportiert? Und wie verwendet man sie in anderen Kulturen?
Wir haben nachgeforscht! Und einen wunderbaren Text gefunden, der im Bulletin zur Ausstellung going BANANAS (2011) erschienen ist. Darin beschäftigen sich die beiden Kuratorinnen Annemarie Bucher und Cornelia Meyer ausführlich mit der gelben Frucht. Wir finden: Noch immer aktuell und inspirierend.
Passend dazu befassen sich in der Ausstellung zu Tisch (2021) die Designer Björn Steinar und Johanna Seelemann in ihrer Serie Banana Story mit dem Transportweg der Banane. Sie geben fotografischen Einblick in den fast 9000 Kilometer langen Reise von der Bananenplantage in Ecuador bis nach Island. Ihre Serie veranschaulicht die Komplexität des globalen Lebensmittelhandels auf eindrückliche Weise!
Banane? Cavendish!
Die Bananen, die wir gewöhnlich im Laden kaufen, sind makellos: alle gleich gross, gleiche Form, gleiche Farbe, manchmal noch etwas grünlich oder schon schön gelb. Es handelt sich um die Bananensorte Cavendish, die nach dem grossen Einbruch der Panama-Krankheit in den 1950er Jahren die vorher übliche Handelssorte Gros Michel (Big Mike) ersetzte. Sie ist nach dem 6. Herzog von Devonshire, William Spencer Cavendish benannt, der bereits 1830 in seinem Garten in England Bananen aus China kultivierte. Da die «Cavendish» ganz andere Eigenschaften hatte, veränderte sie Anfang der 1960er Jahre die Plantagenwirtschaft und den transatlantischen Bananenhandel strukturell. Statt in ganzen Stauden verladen, wurden die Bananen nun büschelweise in Bananenkartons gepackt. Diese schrieben sich in zweiter Verwendung als sogenannte «Zügelkisten» in unsere Kultur ein.
Im künstlichen Schlaf
In den Bananenanbaugebieten sind bestimmte Produktions- und Transporttechnologien, wie auch zahlreiche Infrastrukturen dieser Agrarindustrie zu verdanken. Von den Packanlagen der Plantagen zu den Häfen wurden Eisenbahnlinien gebaut. Eine Flotte aus Kühlschiffen transportierte die Bananen in die USA oder nach Europa, wo sie in sogenannten Reifereien für den Verkauf vorbereitet wurden. Die weite Überseereise der Bananen von ihren Produzenten hin zu den Konsumenten bedarf auch heute noch genauester Planung: Grün geerntet werden die Bananen verpackt, bei 13,5 Grad Celsius gekühlt, d.h. in eine Art künstlichen Schlaf versetzt und im Ankunftsland wieder aufgeweckt, bzw. in Reifekammern unter Zugabe von Ethylengas und mit gesteuerten Temperaturen zur Genussreife gebracht. Die Tropenfrucht muss einen langen und betreuungsaufwändigen Weg zurücklegen, bis der Konsument eine gute, schön aussehende und erst noch billige Banane in der Hand halten kann.
Bananenkultur
Auch in anderen Kulturen prägen Bananen die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Menschen, Ökosysteme und Landschaften, Religionen und Künste, den Handel und die Wissenschaften, Botanik und Medizin. Da diese Bananen aus Asien und Afrika bisher kaum oder nicht in den Export gelangen, werden sie hierzulande kaum wahrgenommen. Dass es neben der Normbanane auch grüne, braune oder rote, grosse und kleine, dicke und dünne Bananen gibt, die ganz anders schmecken, ist gegebenenfalls eine Urlaubserfahrung. Weltweit sind 1’000 Bananensorten und -varietäten bekannt, die als Grundnahrungsmittel oder Faserstoff die Basis für zahlreiche lokale Gebräuche und Traditionen bilden. So wird auf dem indischen Subkontinent das Essen oftmals auf Bananenblättern dargereicht. In Uganda heisst es, wer bei einem Festessen keine (Koch-) Bananen serviert, hat seinen Gästen kein Essen aufgetischt. – Und im Senegal sagt ein Sprichwort aus der Kultur der Bambara: «Alles hat ein Ende, ausser bei der Banane, sie hat zwei.»
Annemarie Bucher hat Kunstgeschichte, Ethnologie und Philosophie an der Universität Zürich studiert. Promotion an der ETH Zürich zu Schweizerischen Gartenbauausstellungen. Seit 1993 ist sie als freischaffende Kuratorin tätig. Zahlreiche Ausstellungsprojekte, Publikationen und Filme im Bereich Kunst, Architektur, Garten- und Landschaftsarchitektur im In- und Ausland. Seit 1992 Dozentin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK).
Cornelia Meyer hat Ethnologie, Psychologie und Volkskunde an der Universität Zürich studiert. Ausbildung zur Psychoanalytikerin, PSZ. Studium der Museologie an der Universität Basel. Als Ausstellungsmacherin verantwortlich für Projekte im In- und Ausland, u.a. im Museum Strauhof Zürich, Gewerbemuseum Winterthur und Museum Bellerive in Zürich. Schwerpunkt sind Museumsprojekte zum immateriellen Kulturerbe (lebendige Traditionen).